Kontraproduktive Marktforschung

“Die Mafo hat eindeutig ergeben, dass wir als Innovationsleader gesehen werden” erklärt der Marketingleiter eines Mittelständlers. “Der Einsatz unseres Logos bei dem Tennisturnier hat die Sympathiewerte um 2,4 Prozent gesteigert”, berichtet der Leiter Marketing im Konzern. “Die Mafo gibt grünes Licht für den Launch von unserem Line-Extender” usw. – Beispiele für den Stellenwert der Marktforschung im Geschäftsleben.

Zentrale Frage hinter all diesen Bemühungen: Wie werden wir gesehen?

Hinter dieser Frage vermuten viele Firmen ihr Allheilmittel: Jede strategische (d.h. teure) Entscheidung erhält eine (scheinbar) beweiskräftige weil faktenbasierte Grundlage. Der Manager erhält die mit Zahlen untermauerte Absolution für seine Handlungen und kann – wenn der Laden anschließend komplett “zusammenfällt” auf die Mafo verweisen, die ihn zu dieser Vorgehensweise gezwungen hat: Der Markt wollte es so!

Der Markt hat keinen eigenen Willen. Der Markt reagiert, aber er agiert nicht. Der Markt befriedigt auch keine Regressansprüche. Selbst die für die Duchführung der Mafo verantwortliche Firma lässt sich nur in den seltensten Fällen haftbar machen.

Der markensoziologische Ansatz

Der markensoziologische Zugriff funktioniert umgekehrt: Man geht davon aus, dass sich ein Unternehmen zunächst bewusst sein muss, was es selbst ist, bevor es andere befragt, wie es wahrgenommen wird: Wie soll ein Mensch, der zufällig befragt wird oder in einem Gruppeninterview mit anderen Probanden diskutiert, ihnen Substantielles über ihre Marke erzählen? Diese Menschen werden meist gezielt so ausgewählt, dass sie keine Experten sind. Sie können Eindrücke über ihre Marke, Momentaufnahmen wiedergeben, wissen aber grundsätzlich nicht, wer Sie sind.

Wenn Sie jemanden befragen, was er von einer Rolex-Uhr hält, ist die Chance hoch, dass viele Menschen antworten: „Kann ich mir nicht leisten“. Soll Rolex jetzt die Preise senken? Penny dürfte auch nicht die Preise anheben, nur weil bemängelt wurde, dass es bei Penny so billig ist.

Daher muss zuallererst die entscheidende Frage geklärt werden: Wer sind wir?

Die Antwort verlangt eine solide wissenschaftliche Analyse des Unternehmens, die allerdings mehr Anstrengung erfordert, als eine neue Studie in Auftrag zu geben.

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