Markenführung in mittelständischen Kooperationen: BEST-Jahrestagung in El Gouna setzt Impulse

Arnd Zschiesche vor der TU Berlin, Campus El Gouna.

Ein leicht surrealer Ort ist Gastgeber des diesjährigen Tagungs-Geschehens bei BEST-Reisen: El Gouna, eine künstlich, dafür aber besonders nachhaltig angelegte Lagunenstadt in Ägypten, am Roten Meer. Der internationale Flughafen Hurghada ist nur 45 Minuten entfernt, die 1989 “begonnene” Stadt selbst hat einen kleinen Airport – dort landen meist gut betuchte Menschen, die hier ihre großen Wochenend-Häuschen oder Schiffchen (oder beides) besitzen. Ein militärisch bewachter Schlagbaum trennt die Wüste von einer Oase, in der alles im Überfluss vorhanden ist. Insgesamt drei Jachthäfen bieten viel Platz für Statussymbole, Uferpromenaden, Restaurants und Clubs. Ein ganzjährig gut gewärmter Platz am Roten Meer mit viel Raum für Touristik- und Immobilienträume…

Neben Krankenhaus, Fußballclub, eigenem TV-Sender findet auch eine Universität hier ihren Platz an der Sonne. Und die dort zu erwerbende Bildung ist “Made in Germany”: Die TU Berlin (Technische Universität Berlin) besitzt einen “Campus El Gouna”. Dort fand die diesjährige Jahrestagung der Reisebüro-Kooperation BEST-Reisen statt, insgesamt drei dicht gepackte Tage in El Gouna. Die zwei intensiven Konferenztage im Audimax der Universität wurden an Tag 1 geprägt vom Thema Markenstrategie und der Zukunft der Branche (inkl. Buzzword “Digitalisierung”), sowie am zweiten Tag vom Thema Nachhaltigkeit in der Touristikwelt. Hochkarätige, dabei aber vor allem kurzweilige Referenten, ließen lange Tage im Hörsaal schnell vergehen und begeisterten ihr Publikum – zwei Phänomene, die sonst an (technischen!) Universitäten eher selten vorkommen.

Mit einem mitreißenden Vortrag für die Stärken und neue Chancen bzw. Leistungen der Kooperation eröffnete BEST-Vorstand Marketing & Vertrieb Cornelius Meyer die Jahrestagung.

Dem Büro für Markenentwicklung, seit acht Jahren ein enger Begleiter von BEST-Reisen, vertreten durch Geschäftsführer Arnd Zschiesche, ging es darum, das Bewusstsein der BEST-Reisebüros für ihre ureigenen Stärken als Akteur vor Ort zu schärfen: Zu verdeutlichen, welche Rolle das einzelne kleine Reisebüro als lokaler “Player” spielen kann. Dies speziell angesichts der Unübersichtlichkeit und Komplexität des Internets mit seinen vielfältigen (Reise-)Möglichkeiten – aber eben auch Gefahren, Such-Anstrengungen und schwierigem Vertrauensaufbau. 

Der Kampf vieler Davids gegen wenige Goliaths

Als Resultat seiner Erfahrung als Partner mehrerer Kooperationen und Verbände in unterschiedlichen Branchen, von Isolierglas über Fertigbauhäuser bis zum Werkzeughandel, entwickelte das Hamburger Unternehmen sich zum Experten für die erfolgreiche Markenführung in mittelständischen Kooperationen. Das sog. DAVID-UND-GOLIATH-Prinzip der Kooperations-Markenführung ist ein Ergebnis dieser Tätigkeiten. Ein Thema, welches schon auf der Jahrestagung im Februar 2019 auf der AIDA-Nova im Rahmen der dortigen Keynote von Arnd Zschiesche eine erste Vertiefung erfuhr.   

Keynote zum Thema David-UND-Goliath-Prinzip.

In wohl jeder klassischen Branche gibt es marktbeherrschende Goliaths, d.h. einige wenige Unternehmen die einen Großteil des Marktes unter ihrer Kontrolle haben, eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Diese Zentralisten besitzen zumeist systemische Überlegenheit, sie treten überall mit Leistungsportfolio, Namen und ihrer Stilistik einheitlich auf. Skaleneffekte und Synergien ergeben sich für ihn erst, wenn er seine Abläufe reibungslos organisiert und systematisiert hat. Das Ergebnis sind massengängige Standards. Denn ob B-to-B oder B-to-C: Die Wertschöpfung der Zentralisten entsteht durch Fokussierung auf Standards. Anders können sie dem Margendruck etc. nicht erfolgreich begegnen, sie müssen möglichst effizient “Masse” machen. 

David punktet mit Spezialisierung und sozialer Nähe 

Genauso existieren weiterhin zahlreiche Branchen-Davids, d.h. lokale Unternehmen, die in ihrem definierten regionalen Umfeld tlw. äußerst erfolgreich agieren und neben den Goliaths koexistieren. Sie haben über Grundstandards hinaus, über die langjährige Kenntnis ihres lokal-regionalen Umfelds Spezialisierungen entwickelt (Beratung, Produkt-Bereitstellung etc.) und sich eigene Kompetenzfelder erarbeitet. Ihr betriebswirtschaftlicher Schlüssel ist ihre “Individuelle Lösungskompetenz”. Ein hoher Anteil Stammkundschaft (meist 75-80%), die gewachsene soziale Nähe vor Ort, ist ihre “Firewall” gegen Preiskampf und  Strukturüberlegenheit der Zentralisten. 

Der Weg: David muss auch Goliath sein 

Sich auf das Funktionieren der hier vorgestellten zwei Idealtypen zu verlassen, wäre naturgemäß naiv: Allein über seine persönliche Beratungsleistung und starke Stammkundschaft kann das Überleben der Davids nicht langfristig garantiert werden. Auch ihr Leistungsportfolio muss das breite Geschäft mit Standards abdecken, auch sie müssen alle tagesgeschäftlichen Bedarfe effizient bedienen können.

Hier schafft die  starke Kooperation eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Indem sie für ihre Mitglieder z.B. State-of-the-Art-Technik, Aus- und Fortbildung, besondere Einkaufskonditionen, Marketing-Unterstützung etc. garantiert, entsteht eine markensoziologische Wunderstruktur: Der David bleibt David – kann aber quasi per Knopfdruck zum Goliath werden. Der Kunde genießt alle Vorteile eines nahbaren lokalen Mittelständlers, hat aber bei Bedarf jederzeit Zugriff auf sämtliche Standards, welche der Markt anbietet. Last but absolutely not least garantiert ein starker Kooperations-Verbund wie BEST-Reisen die Unabhängigkeit des einzelnen Reisebüros vor Ort. Die “kleine” individuelle Marke wird abgesichert und darf ihre existenzsichernde persönliche Nähe, ihre lokalen Kernkompetenzen, weiter pflegen. 

Das Reisebüro als unabhängige Instanz vor Ort

Die Rolle des Reisebüros, hin zur Wahrnehmung als einer unabhängigen Instanz vor Ort, gilt es in Zukunft zu verstärken. Kein Markt wird durch die Digitalisierung einfacher, dies gilt gerade auch in der Reisebranche. Dabei hilft es, auch “Feindbilder” wie Check 24 positiv zu nutzen, um sich bewusst gegen solche “ominösen” Goliath-Anbieter als David zu positionieren. Entscheidend: Vertrauen ist und bleibt das alles entscheidende Marketing-Tool, auch im 21. Jahrhundert. Soziale Nähe und einen realen Ort (vor Ort) können Internet-Goliaths nicht wirklich bieten…

Das Reisebüro muss seine Chance, seine individuellen Stärken nutzen, sie dafür aber auch für die Kundschaft gezielt und konkret herausstellen. Die strukturelle Stoßrichtung: Ihr Reisebüro David für sie persönlich und unabhängig seit 30 Jahren in XY vor Ort. Gerade in einer Zeit, wo das Vertrauen in Konzerne und deren Leistung regelmäßig erschüttert wird. Gerade jetzt, wo vermehrt Menschen bewusst regional einkaufen.

Denn was Deutsche Bank und VW öffentlichkeitswirksam für die Wahrnehmung von Konzernen “geleistet” haben, dazu hat jetzt auch Reise-Goliath Thomas Cook seinen Beitrag geleistet. Dies sollte jeder aufrechte Mittelständler als Warnung sehen, bzw. als Aufforderung seinen Weg weiterzugehen. Kooperationen sind ein Mittel, diesen individuellen Weg in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu beschreiten – und dabei ganz bewusst ein “Anti-Konzern” zu bleiben. 

Mit geballter Power(-Point) für die Kooperation-Gemeinschaft.
Sehr gut gefüllter Hörsaal an der TU, nur wenige Studenten.

Praxisnahe Literatur zum Thema: 

 

Das positive Vorurteil über Deutschland

  • Nur dumme Menschen haben Vorurteile. 
  • Vorurteile sind brandgefährlich. 
  • Vorurteile muss man Ausrotten.

Diese drei Gemeinplätze zum Vorurteil würden viele Menschen spontan unterschreiben. Das ist – wenn es denn wirklich spontan geschieht – verständlich: Das Vorurteil hat in der Menschheitsgeschichte für ungeheure Unmenschlichkeiten gesorgt. Viele der verwackelten Filmfetzen, die uns tagesaktuell heimsuchen, obwohl wir uns gerade auf dem Sofa mit einer veganen Fairtrade-Limonade die Welt korrekt trinken wollten, belegen, dass das Böse da draußen weiter seine unheilvollen Bahnen zieht. Derartiges Geschehen lässt sich leider häufig auf existierende Vorurteile und daraus resultierenden Hass zurückführen. Vorurteile sind in dem Verständnis nur etwas für kahlrasierte Schädel alter deutscher Prägung oder langbärtige Extremisten jüngerer Prägung… Folgerichtig verachten gerade gebildete Menschen das Vorurteil an sich, manche unternehmen große Anstrengungen um sich frei davon zu machen. Gut gemeint aber zu kurz gedacht. 

Denn all diese Tatsachen dürfen nicht den Blick dafür verstellen, dass ein Vorurteil nicht automatisch ein negatives ist. Die Folgen negativer Vorurteile sind nur deutlich augenfälliger als die Folgen positiver Vorurteile. Und tatsächlich existiert in der öffentlichen Debatte die positive Variante nicht. Im Allgemeingebrauch und in der Forschung wird es primär und nahezu ausschließlich in seinen negativen Aspekten untersucht (Autor ausgenommen). Hier soll die Schlagkraft von Vorurteilen am Beispiel des positiven Vorurteils über Deutschland dargestellt werden.

Vorurteile vorurteilsfrei betrachten

Ein interessanter Hinweis ist, dass es bis in die 1930er Jahre vollkommen selbstverständlich war, dass es nicht allein negative, sondern genauso positive Vorurteile gibt. Dabei gilt vieles, was für das negative Vorurteil gilt, für das positive Vorurteil gleichermaßen: Seine Langlebigkeit gegenüber Fakten und gut gemeinten Nachbarschaftsfesten – allen Dingen, die eine andere Wahrheit zulassen. Oder wie es Albert Einstein auf den Punkt brachte: „Ein Vorurteil ist schwerer zu spalten als ein Atom.“                                                                                   

Bei näherem Hinsehen wird umgehend deutlich, dass ein vorurteilsfreies Leben weder erstrebenswert noch praktikabel wäre. Gerade in unserer hochdifferenzierten Gesellschaft, die es keinem noch so intelligenten Einzelwesen ermöglicht, Experte auf allen Gebieten zu sein. Im 21. Jahrhundert benötigen wir Urteile ohne vorhergehende Prüfung um handlungsfähig zu bleiben. Jeden Tag sind wir abhängig von abertausend abgespeicherten Vorurteilen in unserem Kopf.

Ein simpler Supermarkteinkauf ohne Vorurteile? Wir würden vorm Kühlregal wahlweise erfrieren oder verhungern, wenn wir nicht ein paar Vorurteile über Landliebe, Milram oder Danone im Kopf hätten – und uns relativ sicher wären, dass diese Firmen kein Formaldehyd in Becher füllen. Eine Bank in Aserbaidschan bietet 3,8 % Zinsen an, eine Schweizer Bank 0,9 %: Wo eröffnen Sie Ihr Konto? Würden Sie in Paris genauso einen Zebrastreifen überqueren wie in Oslo? Bitte nicht… Naiv-dumme Hirngespinste, ja rassistische Voraus-Urteile ohne jedes Fundament? Oder ein pragmatisch-effizientes Vorgehen um den Alltag zu meistern (in Paris lebensrettend)? 

Leistungen als Grundlage des positiven Vorurteils

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Varianten: Das positive Vorurteil basiert ursächlich auf Leistungen und Fakten. Ein Beispiel:  Wenn wir zufällig ausgewählte Personen bitten, spontan Assoziationen zu nennen, die ihnen zum Begriff „Volvo“ einfallen, ist erfahrungsgemäß eine der meistgehörten „Sicherheit“. Selbst wenn keine einzige der Personen Mechaniker oder Ingenieur ist, niemand der Befragten selbst Volvo fährt, noch sich überhaupt für Autos interessiert. Was für eine Leistung des schwedischen Herstellers. Apropos: „Schweden“ landet meist auf dem zweiten Platz. Das Spannende: Wenn man die Historie des Autobauers liest, ist auffällig, wie viele Beiträge zur automobilen Sicherheit seit Gründung 1927 in Göteborg erdacht wurden. Unter anderem der erste serienmäßige Dreipunkt-Sicherheitsgurt 1959 oder das erste Gurtkissen für Kinder 1976. Apropos: der Begriff „Familie“ landet oft auf dem dritten Rang. 

Wirtschaft als Kampf um das stärkste positive Vorurteil

Das Beispiel ermöglicht eine Perspektive auf die vernetzte Weltwirtschaft, die verdeutlicht, was es für ein Unternehmen und sein Herkunftsland bedeutet, ein starkes Vorurteil verankert zu haben. Hier: Autos aus Schweden sind sicher (auch die chinesischen Eigner haben dies gut verstanden). Es entsteht eine Wechselwirkung, die wirtschaftlich betrachtet nur Gewinner kennt, Land und Firma steigern ihre Attraktivität. Um noch kurz vor Ort zu bleiben, sei hinzugefügt, dass die Marke IKEA wohl mehr zur massenhaften Verbreitung und Beliebtheit der schwedischen Kultur beigetragen hat, als jedes Svenska-Kulturinstitut in Peking oder Washington. 

Volvo, BMW, Harley: Wirtschaft bedeutet den Kampf um das stärkste positive Vorurteil im Markt, die Herkunft kann ein „Booster“ dabei sein. Ein Land, welches über eines der stärksten positiven Vorurteile im Bereich Industrie und Technik weltweit verfügt(e), ist seit der Industrialisierung Deutschland. Das globale Gütesiegel „Made in Germany“ ist vielfach beschrieben wie gefeiert worden, es wird traditionell als Exzellenz-Beweis eingesetzt. Wer einmal in einem Tokioter Kaufhaus beobachtet hat, wie sorgfältig deutsche Fähnchen oder „Made in Germany“-Schilder neben Töpfe, Messer, Staubsauger drapiert werden, der ahnt, was für einen Wert dieses Vor-Vertrauen besitzt. 

Leistungen der Deutschen Industrie im 19. Jahrhundert als Fundament

Ein derartiges positives Vorurteil ist mit viel Dampf und wenig heißer Luft entstanden – sein Aufbau lässt sich nachvollziehen. Ein Blick in die Gründungsphase heimischer Industrie-Ikonen macht es deutlich: Ab 1837 lieferte die Firma Borsig Dampfmaschinen aus. Ab 1841 begann mit der ersten Lokomotive eine Erfolgshistorie, die dafür sorgte, dass der Name zum Synonym für Lokomotivbau wurde. Konkurrenz gab es ab 1858 von Henschel aus Kassel. Siemens & Halske gründeten sich 1847, Bayer und Hoechst 1863, BASF 1865, Hoesch und Thyssen 1871, AEG 1883, Bosch 1886. In dem Jahr entwickelten Carl Benz und Gottlieb Daimler unabhängig voneinander die ersten Automobile der Welt.

Erste Borsig-Dampflokomotive, Zeichnung datiert 1840. Quelle: Wikipedia Borsig (Unternehmen)

Aus der Besonderheit dieses kulturellen Hintergrundes, mit bahnbrechenden Erfindungen und Errungenschaften, dem elektrodynamischen Prinzip (1866), der ersten elektrischen Lokomotive (1879), zahlreichen Nobelpreisen in Chemie, Physik und Medizin, wurde ein einzigartiges kollektives Energiefeld aufgebaut: Ein positives Vorurteil, welches alle Produkte aus Deutschland mit einem kostenlosen Schub Vorvertrauen und Faszination ausstattet, ein unbezahlbarer Mehrwert.

Die „Marke“ Deutschland baut sich ab – von innen

Was bedeutet es vor diesem Hintergrund, wenn der VW-Konzern seinen Kunden eine Betrugssoftware ins Auto einbaut? Was bedeutet es, wenn eine Bank, die das „Deutsche“ im Namen trägt, ihre Kunden und nahezu alle, die mit ihr zu tun haben, hinters Licht führt? Welche Folgen ergeben sich, wenn die Eröffnung bzw. Nicht-Eröffnung eines Hauptstadt-Flughafens wegen technischer Probleme zur weltweiten Lachnummer verkommt? 

Von Marietta Slomka bis zu den üblichen Talkrunden wird mit Experten über die monetären Schäden solcher Vorfälle debattiert, um das Versagen zumindest in Zahlen fassen zu können. Leider geht es dabei meist nicht um das Entscheidende: Den sozial-realen Super-GAU, der sich in Zahlen längst nicht mehr darstellen lässt. Den sozioökonomischen Raubbau am positiven Vorurteil über Leistungen aus Deutschland. Den Leistungsträgern aus Management und Consulting, die meist die Überzeugung in sich tragen, dass sie komplexe wirtschaftlich-politische Gesamtzusammenhänge verstehen, scheint dieser einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhang nicht klar zu sein. Oder es fehlt an managerialer Demut, ein System zu schützen, dass größer ist als jede Einzelperson und jedes Einzelunternehmen für sich.

Das positive Vorurteil über Deutschland als “Dachmarke” der Wirtschaft

Es ist sicher kein Zufall, dass viele der Vorfälle in Konzernen passieren, nicht in mittelständischen Unternehmen. Denn dort sind Gründer oder Geschäftsführer deutlich direkter ins Geschehen – und in die konkreten Folgen ihrer Handlungen – involviert. Die Mehrheit dieser „anständigen“ Firmen wird unschuldig in Mitleidenschaft und Mit-Haftung gezogen. Die Zerstörung des positiven Vorurteils als „Dach“ der deutschen Wirtschaft zieht den spezialisierten Hidden-Champion auf der Schwäbischen Alb genauso mit runter wie Start-Ups, die in ihren Auslandsbeziehungen vom Vorurteil profitiert haben. Denn neue Märkte waren ihnen gegenüber eher aufgeschlossen, investierten Vor-Vertrauen. 

Es geht um den massiven Vertrauensverlust einer exportabhängigen Volkswirtschaft, die ihren „Dauer-Elchtest“ erlebt. Ob an der Börse oder im Direktgeschäft: Die schnellste soziale Geschwindigkeit ist und bleibt das Vertrauen. Je mehr Globalisierung, je mehr Konkurrenz, umso wichtiger wird die Herkunft als ein maximal effizienter Vorurteils- und Vertrauensträger über alle Kanäle hinweg.

Selbst wenn starke Vorurteile nicht über Nacht verschwinden, so arbeiten einige berühmte Marken intensiv daran, sich selbst tragende Säulen nachhaltig zu zertrümmern. Säulen, die Unternehmen wie VW oder Deutsche Bank zudem eigenhändig mitaufgebaut haben. Säulen von denen sie jahrzehntelang profitierten, weil Menschen weltweit ihren Produkten und Dienstleistungen einen Mehrwert unterstellt haben: Viele Kunden bereit waren, genau dafür mehr Geld zu investieren. Die Bank trägt das positive Vorurteil sogar im Namen… Es beweist sich eine soziologische Binsenweisheit: Wirtschaftskörper werden immer von innen zerstört, niemals von außen. 


Der Autor: Der Markensoziologe Dr. Arnd Zschiesche beschäftigt sich seit zwanzig Jahren mit dem positiven Vorurteil als Wirtschaftsfaktor. Er forschte speziell über das positive Vorurteil über Deutschland, über die Grundlagen der “Standortmarke Made in Germany” und den Abbau des Vorurteils innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte.

Der Geschäftsführer und Gründer des Büro für Markenentwicklung Hamburg ist Autor zahlreicher Sach- und Fachbücher zum Thema Marke und Markenführung sowie regelmäßig als Experte zu diesen Themen in den Medien vertreten (u.a. ARD Markencheck, ARD Plusminus). Sein Artikel erschien zuerst im Juli 2019 in Tichys Einblick.

Literatur:

Zschiesche, Arnd: Ein Positives Vorurteil Deutschland gegenüber. Mercedes-Benz als Gestaltsystem. Ein markensoziologischer Beitrag zur Vorurteilsforschung. LIT Verlag, Berlin, 2007

Zschiesche, Arnd/Errichiello, Oliver: Marke statt Meinung. Die Gesetze der Markenführung in 50 Antworten. GABAL, Offenbach, 2018

Blogbeitrag Markenradar: Marke als positives Vorurteil, vom 18.02.2015.

Ein Positives Vorurteil Deutschland gegenüber. Mercedes-Benz als Gestaltsystem
Marke statt Meinung. Die Gesetze der Markenführung in 50 Antworten.

[1]Auch die chinesischen Eigner der Marke sind sich dessen bewusst und vermeiden jede Assoziation mit China in der Kommunikation nach außen.