Margenorientierte Markenberatung

Marke muss überraschen.

Marke muss Zeitgeist spiegeln.

Markenwerbung muss kreativ und emotional sein.

Unsinn.

Die Diskussion über die Bedeutung von Markenführung ist zu einem Modethema geworden. Das hat u.a. damit zu tun, dass von den Medien voreilig gefeierte Einbrüche von Internet-, Handels- oder unbekannten Kampfmarken in die Domäne traditionsreicher Markenartikel Zweifel an der Überlebenskraft des „Systems Marke“ gesät haben. Die Krisen renommierter Marken wie VW, Deutsche Bank oder Karstadt und die unüberhörbaren Siegesschreie von scheinbar erfolgreichen jungen Rulebreakern verunsichern einige Wirtschaftsbeobachter. Was also ist gute Markenführung? Die gegenwärtige Diskussion scheint zuweilen Formen eines „Expertenkrieges“ anzunehmen: 1.000 Köpfe und mindestens 1.000 Erfolgsmodelle. Dies birgt Risiken und Chancen: Risiken, weil es schwierig ist, rhetorisch begabte, inhaltlich nicht fundierte Markenspezialisten und Agenturen zu entlarven. Chancen, weil es substantieller Analysen bedarf, um die Verunsicherung durch Fakten zu ersetzen – und auf der Basis die Wertschöpfungskraft langfristig zu erhöhen.

Wer Unternehmer, Manager, Berater und Werber beobachtet, kommt zu dem Schluss: Es gibt keinen Bereich des Wirtschaftslebens, der derart von Blendern geprägt ist wie der Bereich Marke. Die eigentliche Werbeleistung sog. Markenexperten ist, dass sie Generationen von Entscheidern einreden konnten, dass Marke etwas mit „Emotionen“, „Wohlfühlen“ und „Überraschung“ zu tun hat. Der Glaubenssatz lautet: „Awareness ist die neue Währung!“ Warum eigentlich? Wurde mit einem „Klick“ bisher auch nur ein Bürostuhl oder ein Telefonanruf bezahlt? Es bleibt dabei: Nichts wird richtig, nur weil es von allen permanent nachgeplappert wird. Kurzum: Telling isnt selling!

Marke ist Positives Vorurteil

Das Gegenteil ist der Fall: Starke Marken beweisen, dass es primär um „Beständigkeit“ und die „Einlösung von Erwartungshaltungen“ geht. Jede Marke bildet im Laufe ihrer Geschichte ein spezifisches Muster aus, das für ihren wirtschaftlichen Erfolg maßgeblich ist. Ein Vorurteil wie „Volvo steht für Sicherheit“ – ist die Folge konkreter Leistungsspezifika über Generationen. Werbung und Kommunikation wird in diesem Zusammenhang maßlos überschätzt: Ihre Aufgabe ist es die zuvor erbrachten Leistungen massenwirksam zu verbreiten. Die Leistung selber ersetzen kann sie nicht, auch wenn das sog. „Imagewerbung“ versucht.

Der Genetische Code oder das Erfolgsprofil des Unternehmens lässt sich nirgendwo direkt ablesen. Es muss durch eine Analyse herausgearbeitet werden,

  • welche übergreifenden Leistungsmerkmale reproduziert und verankert wurden.
  • welche typische Wahrnehmung/Erwartungshaltung im Markt verankert wurde.

Ziel ist es, nach dem charakteristischen und wirtschaftlich erfolgreichen Verknüpfungsmuster zu suchen, das unter einem bestimmten Namen gesichert ist. Was konkret ist in der Vergangenheit geleistet worden, um zu erreichen, dass heute sehr viele Menschen bei Nennung des Begriffes NIVEA an Hautpflege denken? Eine Analyse erstreckt sich über die gesamte Geschichte der Marke bis ins aktuelle Tagesgeschäft und umfasst alle für die Kundschaft relevanten Teilsysteme innerhalb der Marke: Von der Forschung und Entwicklung, über den Vertrieb, das Marketing und die Organisation bis zur Kundschaft. In jedem Teilbereich der Wertschöpfungskette können Merkmale auftreten, die das Erfolgsprofil des Unternehmens bilden. Dabei ist vollkommen unerheblich, ob es sich um einen kleinen Mittelständler oder einen weltberühmten Globalkonzern handelt: Es geht um Erfolgsstrukturen, die sich innerhalb jeder wirtschaftlichen Unternehmung finden lassen. Übrigens auch innerhalb jeder jungen Unternehmung, die erst seit kurzem im Markt agiert.

Im Gegensatz zu verbreiteten abstrakten wie im Ergebnis interpretationsoffenen „Analysetools“ wird ausschließlich nach konkret wahrnehmbaren und beschreibbaren Elementen geforscht. Der Nachteil imagebasierter Markendefinitionen ist, dass sie etwas beschreiben, was außerhalb des Unternehmens liegt und damit dem Zugriff des Managements entzogen ist. Sie beschreiben nicht Ursachen, sondern Wirkungen einer Markenleistung. Die Analyse der firmeninternen Ursachen erfasst jene Erfolgsbausteine, die das „Positive Vorurteil“ der Kundschaft gegenüber einer Marke bewirkt haben. Ist diese Arbeit geleistet, verfügt das Unternehmen über den „inhaltlichen Filter“, der alle zukünftigen strategischen und tagesgeschäftlichen Entscheidungen auf ein überprüfbares Fundament stellt. Jede Frage muss sich vor dem Hintergrund der definierten Leistungsmerkmale dahingehend beantworten lassen: Passt diese Entscheidung zu uns bzw. stärken wir damit das „Positive Vorurteil“ oder entlädt diese Entscheidung die verankerten Vorstellungen (und führt damit automatisch zur Markenschwächung)?

Jede Marke ist ein Energiesystem

Marken entstehen nicht durch Werbung, Markenzeichen oder Verpackungsdesign. Ob die Leistung eines Unternehmens darin besteht, millionenfach identische Produkte oder maßgeschneiderte Investitionsgüter herzustellen oder eine Dienstleistung zu erbringen, ist nicht entscheidend. Ob Eckkneipe oder Dr. Oetker: Für eine Marke ist entscheidend, sich einen guten Ruf zu erarbeiten und Kundschaft aufzubauen – sie arbeitet nach dem Prinzip eines Energiesystems. Auf der einen Seite sind die Leistungsträger des Systems: Der Dienstleister bzw. Hersteller, seine Produkte und die Distribution, die Werbung und Kommunikation. Auf der anderen Seite die Kundschaft: der Geldgeber für das Funktionieren der Wertschöpfungskette. Solange das Unternehmen die Markenleistung auf typische Art und Weise erbringt, entsteht ein Kreislauf auf Basis von Vertrauen: Das Unternehmen erhält Geld und die Kundschaft trägt im Gegenzug das Vorurteil über die Markenleistung weiter. Markenenergie ist nicht das Ergebnis vager Images oder emotionaler Soft Facts, sondern beruht auf Einzelleistungen, die in der Kundschaft eine differenzierte Markenvorstellung herausgebildet haben. Z.B. typische Eigenschaften, Preisstellung, Qualität der Produkte/Dienstleistung, Stellung im Wettbewerb, Werbung, Innovationskraft. Diese Erfahrungen haben sich zu einem „Positiven Vorurteil“ verdichtet: Einer Erwartungshaltung, die gleichgerichtet unter einem spezifischen Markennamen abgespeichert ist. Aufgabe der Marke ist es, unter ihrem Namen die aktuellen Leistungen des Unternehmens immer wieder neu mit den geschichtlichen zu verbinden. Die Rückkopplung zwischen Marke und Kundschaft vergrößert somit die Markenenergie. Ergo: Mit zunehmender Leistungsgeschichte arbeitet das Unternehmen immer kostengünstiger bei erhöhter Erlösqualität und Durchsetzungskraft.

Junge Marken stärken

Was müssen junge Marken beachten, die noch nicht auf eine fundierte Leistungsgeschichte verweisen können. Zunächst: Jede Markengründung ist ein einmaliges Angebot. Der Wunsch etwas „anders“, neu oder besser“ zu machen, ist bei jeder Gründung – sei das Unternehmen auch noch so „wild“ – der Startpunkt. Dieser Inhalt muss zu Beginn klar und unmissverständlich herausgearbeitet werden. Denn auch in zukunftsorientierten Branchen und der Netzwirtschaft gelten dieselben Gesetzmäßigkeiten der Markenbildung und –führung wie im klassischen Business. Ein Blick in die Wirklichkeit zeigt, dass viele junge Unternehmen meinen, zu Beginn durch eine möglichst „laute“ oder „tabubrechende“ Kommunikation aufzufallen. Bekanntheit ist aber noch kein Wert an sich. Viel eher geht es darum, Vertrautheit zu erzeugen und dies gelingt in der Regel nur mit Leistungen. Vor diesem Hintergrund gilt es ein dezidiertes Leistungsprofil der Marke zu erarbeiten, dass als Grundlage für eine kreative Umsetzung genutzt wird, das heißt: Die Produkt-Leistungen, die Dienst-Leistungen und Services; die Informations-Leistungen und nicht zuletzt die stilistischen Leistungen. Erst aus diesen Erfahrungen komponiert der Mensch sein Urteil über eine Marke, den Marken-Stil. Stil ist für eine Marke kein Wert an sich, sondern ein Mittel zum Zweck. Stil sichert Wiedererkennen; er fördert Vertrauen und das positives Vorurteil gegenüber einem Unternehmen.

Es gilt für jede Marke: Das Gefallen an etwas ist immer der erste Impuls; ihm folgt das Interesse an den „Facts“. Das Vertrauen in eine Marke baut sich – auch heute – im Zeitverlauf auf. Das bedeutet die Zeichen und Stilistik einer Marke müssen über lange Zeiträume wiederholt werden, bis sie von der Kundschaft gelernt sind. Statt Standards zu übertragen, sollte konsequent die eigene Marke zum Maßstab gemacht werden. Das ist harte Arbeit, weil man sich den allgegenwärtigen Regeln des ominösen „Marktes“ widersetzen muss.

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