Wenn sich die Werbung von der Wertschöpfungskette ablöst: Der deutsche Bettenspezialist Keno-Kent

Groß in der Fachpresse promoted hat der oben gezeigte Werbespot – nach Aussagen der MZE, dem Mutterunternehmen der Marke Keno-Kent – eine klare Aufgabe: Ein aufmerksamkeitsstärkendes Marketingprogramm, dass es sogar möglich machen soll, die Hauptdarstellerin des Image-Films für eigene Kundenevents zu buchen.

Für den Markensoziologen wird an diesem Spot exemplarisch die Abkopplung der Wertschöpfungskette von der Werbung deutlich. Warum?

  1. Sage-und-schreibe gerade einmal 5 von 65 Sekunden beschäftigt sich der Spot mit Marke und Produkt (wobei sich die Beschäftigung auf eine simple Nennung des Namens reduziert). 60 Sekunden werden dafür genutzt, eine filmische Situation aufzubauen.
  2. Die aufgebaute Situation ist vollständig austauschbar … der coole Mann mit dem Foto könnte letztenendes auch das Bild des Bettes der Konkurrenz, oder das einer Tiefkühlpizza zeigen. Nichts macht den Spot in seinen Inhalten “typisch” Keno-Kent …
  3. Hinter dem Spot scheint kein längerfristiges Konzept zu stehen. Aus der Kognitionspsychologie ist bekannt, dass sich Kommunikationsinhalte nur dann an einen Absender binden, wenn eine Marke ein Thema selbstähnlich fortführt … einmalige Aktionen bilden keine Markenkraft.
    Sicher, der Werbespot wird in einem bestimmten Rahmen für Aufmerksamkeit sorgen. Auch mag man persönlich die filmische Geschichte für amüsant halten, aber … Aufmerksamkeit hat nichts mit Markenstärkung zu tun. Denn unter einer Marke sind die Leistungen eines Unternehmens vom Tag der Gründung bis heute gespeichert. Hier wird von diesen “einmaligen” Leistungen nichts wiedergegeben.

Meist kommen Marketingmaßnahmen wie oben zustande, weil bereits zuvor die argumentativen Weichen gelegt worden sind. Bei der internen Diskussion fallen immer wieder folgende Begründungen:

  1. Es gäbe keine leistungsbasierten Differenzen zum Wettbewerb.
  2. Die Werbung war bisher zu “rational” … der heutige Kunde möchte allerdings ein “emotionales” Kauferlebnis erfahren.
  3. Junge Zielgruppen seien für faktische Argumente nicht offen, diese Käufer interessiere vor allem “Lifestyle” und ein “added value”.

Wie realitätfern diese Überzeugungen und in der Folge wie unwirksam derartige Marketingmaßnahmen sind, wird deutlich, wenn man einen Verkäufer in einem Geschäft beobachtet. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass er mit austauschbaren Marketing-Sprüchen à la “Exklusive Wohnmöbel zum Wohlfühlen zur Realisierung einer einmaligen Wohnatmosphäre” (O-Ton auf der Keno-Kent Website) keinen Kunden überzeugen wird, ein Bett von Keno-Kent zu kaufen. Im Verkaufsgespräch zählen Fakten: Sieht das Möbel gut aus? Ist es gut verarbeitet? Liege ich bequem? Diese Inhalte muss ein Verkäufer weitertransportieren … mit “Stimmungen” und “Aufmerksamkeit” allein würde er wahrscheinlich kein Bett verkaufen.

In diesem Sinne: Oftmals liegt einer “emotionalen” Werbung ein falsches Menschenbild zugrunde. Denn Emotionen entstehen nicht aus der Demonstration von Emotionen, sondern durch (produktorientierte) Fakten. Sagen wir wie es wirklich ist: Werbung hat einzig und allein die Aufgabe, die Leistungen eines Unternehmens möglichst effizient zu verkaufen – “Stimmungen”, “hübsche Frauen” und “Provokation” helfen – wenn sie ausschließlich eingesetzt werden – eher weniger bei der Wertschöpfung.

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