Selbstähnliche Markenführung: Prinzen Rolle

Der Markensoziologe bezeichnet das Archiv als “Waffenkammer des Unternehmens”: Dort wo normalerweise alte Unterlagen und alte Mitarbeiter abgelegt werden, befindet sich massenweise kostenloses Kunden-Kaufaktivierungs- und Werbematerial. Meist wird bedauerlicherweise nur zum 10- oder 100-jährigen Betriebsjubiläum irgendjemand zum ernsthaften Suchen/Recherchieren ins Archiv gesendet, weil man ein Sonderheft oder eine Firmenchronik publizieren möchte oder die Mitarbeiterzeitung mal ein paar schöne Schwarz-Weiß-Bilderchen zum Füllen oder Gegenüberstellen Hauptgebäude alt/neu braucht. Dies ist auch per se überhaupt nicht verwerflich, im Gegenteil: Die Historie einer Unternehmung birgt intern höchstes Identifikationspotential und somit soziales Bindungspotential für die gesamte Mitarbeiterschaft.

Doch die Tatsache, dass dieses Bindungspotential und diese Kraft des Erinnerns auch zum Kunden hin ungeheure Kräfte aktivieren kann, geht im Tagesgeschäft gerne einmal unter: “Wir wollen voran, was bringt die Zukunft? Welche Herausforderungen sehen wir für uns bis 2020?” Unternehmen stellen sich gerne extrem zukunftsorientiert dar – in die Zeitung von gestern wickelt man Fische sagt der Zeitungsmann.  Ja, richtig. Aber der Zeitungsmensch lebt von anderen Dingen als der Markenmensch, er lebt von Neuigkeiten. Im besten Falle sind dies Sensationen, spektakulären Enthüllungen, etwas Noch-nie-Dagewesenes (selten geworden heutzutage). Die seriöse Markenfrau und der seriöse Markenmann leben exakt vom Gegenteil: Alles was eine Marke am 06. Juli 2015 darstellt, ihr gesamtes positives Vorurteil, hat seine Begründung in der jeweiligen individuellen Markenhistorie. Eine Marke trägt ihren Existenzgrund in sich selbst. Ihre Hauptaufgabe ist es somit auch z.B. jede Innovation im Markt sofort in etwas Typisches umzuwandeln. Markensoziologisch formuliert: Denovation ist das Ziel jeder Innovation.

Ein kleines feines knackiges Beispiel aus der Praxis: Das Unternehmen Griesson-De Beukelaer ist verantwortlich für die Produktion eines in Deutschland äußerst beliebten Doppelkekses, der vom Gründer der Firma De Beukelaer, dem belgischen Bäckermeister Edouard de Beukelaer, im 19. Jahrhundert erfunden wurde und ab 1946 mit Kakaocremefüllung als “De Beukelaer Prince Fourrée” auf den Markt kam. Als dann 1955 im niederrheinischen Kempen die „Flämische Keksfabrik E. de Beukelaer“ eröffnet, erobert die Prinzenrolle auch den deutschen Markt (geschrieben Prinzen Rolle). Das Unternehmen hat zum 60. Geburtstag des Produktes sog. “Prinzen Rolle Nostalgie-Editionen” auf den Markt gebracht, mit drei unterschiedlichen Verpackung-Motiven: Im 1950er, 1960er und 1970er Jahre Verpackungsdesign. Markenarbeit ist immer Detailarbeit: Die Marke versteht es an der entscheidenden Schnittstelle zur Kundschaft, dem Produkt, ganz gezielt auf die lange Erfolgsgeschichte dieser Marke hinzuweisen – und so die Kundschaft in ihrem positiven Gefühl zu “ihrer” Marke zu bestätigen. Das ist das Gegenteil von der abstrakten Behauptung: Prinzen Rolle ist ein Keksklassiker. Dieser Anspruch wird stattdessen mit diesen drei Editionen konkret belegt, die ganze selbstähnliche Kraft der Unternehmung verdeutlicht. Diese Packungen lassen sich direkt nebeneinander gestellt sofort der Marke zuordnen – das können nicht alle Marken von sich behaupten. So funktioniert gute Markenführung, so zeigt sich das unternehmerische Bewusstsein für die eigene Leistung über die Zeit. Hier wird Geschichte für die Kundschaft konkret und interessant gemacht.

Selbstähnlichkeit Prinzenrolle
Selbstähnlichkeit Prinzenrolle

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